Kommentar

Zu viele Ausgaben, zu viele Subventionen: Der Staat muss schlanker werden

Die Aufweichung der Schuldenbremse ist definitiv das falsche Rezept, um die Finanzprobleme zu beheben. Und von vorneherein auf Steuererhöhungen zu setzen, ist es auch. Der Bund muss sparen.

Katharina Fontana 106 Kommentare 6 min
Drucken

In Bern, so würde man meinen, müsste der finanzpolitische Ernstfall herrschen. In der Bundeskasse tut sich eine Milliardenlücke auf, die mit dem Ja zur 13. AHV-Rente noch um einiges beunruhigender geworden ist. Doch wer gedacht hat, dass sich die Parlamentarier davon beeindruckt zeigen und nun finanzielle Seriosität an den Tag legen würden, sieht sich getäuscht.

Das Geldausgeben geht munter weiter, wie die Frühlingssession gezeigt hat. So wurden nebenbei ein paar hundert Millionen Franken mehr für den Bahnausbau beschlossen. Die Fussball-Europameisterschaft der Frauen darf sich auf einen Millionensegen vom Bund freuen, ebenso die Weinbauern, und selbstverständlich will man sich auch eine Landesausstellung gönnen, denn «wer unser Land liebt, stärkt die Einheit», wie ein Parlamentarier ergriffen sagte. Und das geht offenbar nur, wenn der Bund seine Kasse öffnet.

Dass die Bundesfinanzen arg in Schieflage sind, liegt kurz gesagt daran, dass die Ausgaben stärker wachsen als die Einnahmen. In den grossartigen fetten Jahren mit den sensationellen Abschlüssen hat man den Staat immer teurer werden lassen. Der Bund nimmt nicht zu wenig ein, sondern er gibt zu viel aus.

Keine Lobby für die Steuerzahler

Eigentlich ist klar, was man nun tun muss: seriöse Finanzpolitik machen, Fehlkonzepte beseitigen, Prioritäten setzen, auf nicht wirklich Nötiges verzichten. Doch das sehen nicht alle so, auch nicht bei den Bürgerlichen. In der politischen Mitte verwirft man bereits die Hände und hält es für absolut unmöglich, die Finanzlücke mit Einsparungen zu decken. Sonst komme es zu einer Zerreissprobe, die den Zusammenhalt der Schweiz gefährde.

Wirklich? Man kann das auch anders sehen: Der massive Staatsausbau in den letzten Jahren hat den Zusammenhalt des Landes, den Gemeinsinn offensichtlich gerade nicht gestärkt. Vielmehr hat sich bis weit in bürgerliche Kreise hinein der Eindruck verbreitet, dass die Politiker in alle Richtungen unnötig viel Geld verteilen – und dass man deshalb auch für eine 13. AHV-Rente stimmen kann.

Der Druck auf die Finanzen muss Anlass sein, dass der Bund seine Aufgaben ernsthaft überprüft. Viel zu oft beschäftigt er sich mit Dingen, für die es ihn nicht braucht. Die prioritären Pflichten, die der Staat zu erfüllen hat, sind nicht allzu viele. Die Sicherheit und Verteidigung des Landes gehört dazu, die Bereitstellung öffentlicher Güter und elementarer Infrastruktur, die öffentliche Ordnung, die Justiz. Das Gewaltmonopol liegt beim Staat, und dort muss es bleiben. Wenn sich die Bevölkerung nicht mehr sicher fühlt, kommt es nicht gut. Und wenn die Schweiz einen Nachrichtendienst hat, der stärker mit sich selber beschäftigt ist als mit radikalisierten Tätern, ebenfalls nicht.

Gleichzeitig leistet man sich ein Gleichstellungsbüro, dessen Agenda jedes Jahr länger wird, ein Heer an Kommunikationsleuten, die alle Wachstumswünsche der Verwaltung in Werbesprache verpacken, eine Vielzahl von ausserparlamentarischen Kommissionen, die zuverlässig Berichte für einen weiteren Staatsausbau produzieren. So weibelt die Kommission für Familienfragen seit Jahren für eine nationale Elternzeit von 38 Wochen, und das ist nur ein Beispiel unter vielen. Die Liste lässt sich beliebig verlängern.

Der Ball liegt jetzt beim Bundesrat. Es ist an ihm, zu zeigen, wie er die strukturellen Defizite beseitigen will. Die freisinnige Finanzministerin Karin Keller-Sutter legt den Fokus dabei richtigerweise auf die Ausgabenseite und will für die Sanierung bei den Aufgaben und den Subventionen ansetzen. Allein kann die starke Frau im Bundesrat den Haushalt aber nicht auf ein tragbares Mass zurückstutzen. In einem zweiten Schritt braucht sie Verbündete im Parlament, die sich mit Vehemenz für fiskalische Nachhaltigkeit einsetzen.

Man kann auch sagen: die sich für die Interessen der Steuerzahler einsetzen. Es braucht ein Gegengewicht zu den zahllosen Lobbys aller Couleur, die heute am Tropf des Staates hängen und die ihre Subventionen natürlich nicht kampflos aufgeben werden.

Warum nicht die Bevölkerung fragen?

Dabei ist klar: Die Ausgabenwünsche werden die Einnahmen immer übersteigen. Sobald der Staat mehr Geld zur Verfügung hat, dreht sich die Spirale bei den Ausgaben einfach weiter. Die Botschaft muss deshalb sein, dass an Mehreinnahmen und neue Steuern nicht zu denken ist, bevor man nicht den Dschungel an Ausgaben durchforstet und Sparmassnahmen beschliesst. Wer sich einen Überblick verschaffen will, wofür der Bund unnötig Geld ausgibt, kann sich den Subventionsbericht des Instituts für Schweizer Wirtschaftspolitik von 2023 ansehen.

Dort findet man Fragwürdiges zuhauf; allein schon mit der Abschaffung von Kuriositäten wie der Unterstützung einer Genfer Immobilienstiftung liessen sich Dutzende von Millionen einsparen. Warum fördert der Bund den Schweizer Film und die Ausbildung von Auslandschweizern? Warum zahlt er jedes Jahr mehrere hundert Millionen Franken in die Arbeitslosenversicherung ein, wenn es sich doch um eine Versicherung handelt, die von den Versicherten getragen werden sollte?

Nebenbei erwähnt wäre auch in der Personalpolitik mehr Bescheidenheit am Platz. Der Bund muss nicht einen rekordhohen jährlichen Durchschnittslohn von 120 000 Franken zahlen, und es braucht nicht für jede Stelle in der Bundesverwaltung einen Akademiker. Und was die Akzeptanz angeht: Warum nicht ein Entlastungspaket schnüren und die Bevölkerung entscheiden lassen, wie man das in der Vergangenheit bereits gemacht hat?

Linke Charmeoffensive

Bei der anstehenden Finanzdebatte geht es um weit mehr als um ein bisschen Sparen und ein bisschen Entlasten. Es stellt sich die Grundsatzfrage, ob die Schweiz finanzpolitisch solid bleiben will oder nicht. Die linken Kräfte sehen jetzt ihre Chance gekommen, endlich die ungeliebte Schuldenbremse loszuwerden. Die Schweiz gehöre zu den Ländern mit den tiefsten Schuldenquoten, heisst es. Die Quote liege viel tiefer als in der Euro-Zone, ja sie sei geradezu unanständig tief. Und das allein wegen der Schuldenbremse, die «Investitionen in die Zukunft» wie einen Klimafonds oder die Krippenfinanzierung verhindere.

Und da man die Schuldenbremse nicht im Alleingang beseitigen kann, wird versucht, die bürgerliche Seite zu umgarnen: «Ihr wollt Geld für die Armee und Geld für die Bauern? Kein Problem, man muss dazu nur die Schuldenbremse aushebeln.»

Man sollte sich keine Illusionen machen: Ohne strikte Schuldenbremse, die die Politik diszipliniert, gibt es bei den Ausgaben einen Dammbruch – wer soll sich dann bei den Verteilkämpfen noch zurückhalten, wer noch gegensteuern? Wenn die Schuldenbremse bröckelt, steigt die Schweiz ab. Sie wird gewöhnlich. Sie wird ein weiteres hochverschuldetes europäisches Land. Sie sinkt auf das Niveau von Nachbarstaaten, wo die jeweiligen Regierungen während ihrer Amtszeit unbekümmert rote Zahlen schreiben, Schulden anhäufen und die Finanzprobleme ihren Nachfolgern überlassen. Kein Defizit ist zu hoch, wenn man damit die Wiederwahl gewinnt.

Und wieder einmal: das Bankgeheimnis

Auch ein anderes linkes Anliegen ist wieder da: die Aufhebung des inländischen Bankgeheimnisses. Wenn die Schweizer Steuerbehörden freien Zugriff auf die Bankdaten der Bürger erhielten, dann würden Milliardenbeträge ans Licht kommen, behaupten SP-Vertreter. Die Finanzprobleme wären praktisch gelöst. Von diesem Geld könne die ganze Gesellschaft profitieren – die AHV, die Armee und, selbstverständlich, die Bauern. Auch hier zielen die Linken auf die Bürgerlichen und wollen mit ihnen ins Geschäft kommen nach dem Motto: Mehr Ausgaben im Tausch gegen das Bankgeheimnis.

Das kann man natürlich machen. Man kann die finanzielle Privatsphäre der Bürger aufheben und die Obrigkeit ausbauen. Man kann nach dem «Vorbild» anderer hochverschuldeter europäischer Staaten auch versuchen, weitere Ritzen zu schliessen und etwa den Einsatz von Bargeld noch weiter zu begrenzen, als dies heute schon der Fall ist. Nur soll man dann nicht erwarten, dass die Schweizer Bürgergesellschaft und ihre Loyalität zum Staat noch lange anhält. Je mehr der Staat dem Bürger misstraut, ihn kontrolliert und drangsaliert, desto mehr wird er als Gegner wahrgenommen.

Der Zürcher Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann hat jüngst über die rasanten Veränderungen geschrieben, welche die Schweiz in den letzten zwanzig Jahren erlebt habe. Man beginne darüber nachzudenken, wie man das Subventionssystem zu seinen eigenen Gunsten nutzen und seine Schäfchen ins Trockene bringen könne. «Der Plan B gehört mittlerweile zum festen Bestandteil jedes Gesprächs über die persönliche Zukunft.»

Das ist zutreffend und auch ernüchternd. Ein Staat, der über seine Verhältnisse lebt und seine Finanzen nicht im Griff hat, ist für die Bürger nicht vertrauenswürdig. Die Schuldenbremse ist eine der wenigen institutionellen Garantien, die die Politik einschränkt und dazu beiträgt, dass das Vertrauen in den Staat nicht erodiert.

106 Kommentare
Thomas Kraus

Nicht einmal die einst liberale FDP war dieser Tage dafür zu haben, die Ausgaben für die Entwicklungshilfe auf das frühere Niveau zurückzufahren; von der Mitte gar nicht zu reden. Wie sollen da echte Sparprojekte jemals möglich sein? Wer solche Bürgerliche hat, braucht keine Sozialisten!

Karl Lukas

Interessant, dass linke Parteien die Privatsphäre der Steuerzahler abschaffen möchten, es andererseits als Zumutung empfinden, wenn Empfänger von Sozialleistungen ihre finanzielle Situation offenlegen müssen.