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Oxfam liegt falsch: Die Reichen werden reicher, aber die Armen auch

Der Originalbeitrag ist als „Schlumpfs Grafik 97“ im Online-Nebelspalter vom 22. Januar 2024 zu lesen.

Pünktlich zur Eröffnung des World Economic Forum (WEF) hat die internationale Entwicklungsorganisation Oxfam ihren neuesten Bericht über wirtschaftliche Ungleichheit veröffentlicht. Darin kritisiert sie multinationalen Firmen, die dafür verantwortlich seien, dass die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer würden. Um diese Ungerechtigkeit zu bekämpfen, empfiehlt Oxfam den Regierungen, im privaten Wirtschaftssektor zusätzliche Regulierungen einzuführen und die Steuern für Reiche zu erhöhen. Der Bericht fand grosse Aufmerksamkeit in den Medien (siehe hier).

Was wichtig ist:

– Die Entwicklungsorganisation Oxfam behauptet, die Schere zwischen Arm und Reich sei weiter aufgegangen. Die Zahlen sagen aber etwas anderes.
– Oxfam suggeriert, es gehe den Armen deshalb schlechter, weil die Reichen immer reicher würden.
– In Wirklichkeit hängt Reichtum von einer wachsenden Wirtschaft ab. Davon können auch die Armen profitieren. Die erfolgreiche Armutsbekämpfung der letzten Jahrzehnte bestätigt das.

Im Oxfam-Bericht «Inequality INC.» vom Januar 2024 (siehe hier) ist die folgende Gegenüberstellung zentral: Die fünf reichsten Männer der Welt haben seit 2020 ihr Vermögen verdoppelt, während im gleichen Zeitraum fast fünf Milliarden Menschen ärmer geworden sind. Damit suggeriert Oxfam, dass ein paar wenige Superreiche, die immer reicher werden, den Armen ihr weniges Geld wegnehmen würden.

Diese Vorstellung kann aber nur dann richtig sein, wenn man annimmt, dass der gesamte wirtschaftliche «Kuchen», der zu verteilen ist, immer gleich gross ist oder sogar kleiner wird. Dass dies aber für die letzten 200 Jahre in keiner Weise zutrifft, habe ich in meinem Beitrag «Reichtum und Wohlstand dank wirtschaftlichem Wachstum» gezeigt (siehe hier): Seit 1820 ist das globale Bruttoinlandprodukt um das Hundertfache gestiegen. Unter Berücksichtigung des Bevölkerungswachstums bedeutet das umgerechnet auf die Wirtschaftsleistung pro Kopf, dass jeder Mensch im Schnitt 13-mal reicher geworden ist.

Rasante Abnahme der Armut seit 1990

Daraus folgt, dass die beiden im Oxfam-Bericht einander gegenübergestellten Aussagen nicht kausal voneinander abhängig sind: Wenn Reiche reicher werden, heisst das nicht per se, dass Arme ärmer werden. Wir müssen also die beiden Aussagen getrennt betrachten. Weil aber grosse Armut – im Gegensatz zu grossem Reichtum – ein existenzielles Problem ist, schauen wir zuerst, ob es den Armen tatsächlich so schlecht geht, wie Oxfam das behauptet. Gemäss der Weltbank bedeutet extreme Armut, dass man pro Tag höchstens 2,15 Dollar zur Verfügung hat. In meinem Beitrag «Extreme Armut ist stark zurückgegangen» (siehe hier) habe ich gezeigt, dass der Anteil dieser Menschen zwischen 1820 und 2019 weltweit von 75 auf 10 Prozent zurückgegangen ist. Die folgende Grafik zeigt den letzten Teil dieser Entwicklung ab 1990 in absoluten Zahlen (also unabhängig vom Bevölkerungswachstum) und ergänzt bis zum Jahr 2022.  

Quelle: Worldbank / M. Schlumpf

Die Kurve dieser Grafik zeigt die Zahlen einer neuen Studie der Weltbank (siehe hier). Diese Studie beschäftigt sich detailliert mit den Folgen der Corona-Pandemie von 2020. Wie die Grafik zeigt, gab es im besprochenen Zeitraum ausser im Jahr 2020 nur einen kurzzeitigen Rückschlag bei der Armutsbekämpfung: derjenige von 1997/98. Ausgelöst wurde er durch die sogenannte Asienkrise, einer Wirtschafts- und Währungskrise in Südostasien.

Oxfam betrachtet nur die letzten drei Jahre und blendet den Rest aus

Dennoch ist die Zahl der Menschen, die mit weniger als 2,15 Dollar pro Tag leben müssen, seit 1990 von 2 Milliarden auf 667 Millionen im Jahr 2022 gesunken – das entspricht einem Rückgang um unglaubliche zwei Drittel, und das trotz wachsender Bevölkerung. Setzt man den Trend dieser Entwicklung (hellblaue Linie) fort, wäre die extreme Armut gegen 2035 praktisch verschwunden. Oxfam behauptet in der Studie jedoch, dass es noch 229 Jahre dauern würde, bis die Armut ausgerottet wäre. Wie erklärt sich dieser krasse Unterschied?

Die Antwort ist einfach: Oxfam berücksichtigt ausschliesslich die Entwicklung seit 2020. Sie leitet also alles von einem sehr kurzen Abschnitt ab, in dem ausgerechnet der grösste kurzzeitige Rückschlag bei der Armutsbekämpfung seit 1990 stattgefunden hat. Verwendet man nur den Trend, der sich aus diesem Abschnitt ableiten lässt, erhält man tatsächlich das alarmierende Resultat, das sich Oxfam offenbar herbeigewünscht hat. Es ist aber kein Wunder, dass die Organisation so handelt, denn sie ist ja auf Spenden zur Armutsbekämpfung angewiesen.

In Ländern ohne erfolgreiche Firmen bleiben die Armen arm

Die langfristige Entwicklung, die aus der Grafik ersichtlich ist, entlarvt die Manipulation von Oxfam somit als statistischen Trick. Vor allem kann man daraus ableiten, dass eine erfolgreiche Armutsbekämpfung Hand in Hand gehen kann mit wachsendem Reichtum der Reichen. Denn die Vermögen von Unternehmern wie Jeff Bezos (Amazon), Bill Gates (Microsoft) oder Elon Musk (Tesla, X, Space X) sind in der Zeit seit 1990 tatsächlich stark gewachsen: Ganz offensichtlich können Superreiche zusammen mit den Ärmsten reicher werden.

Der Schlüssel für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung liegt bei einem anhaltenden Wirtschaftswachstum, von dem möglichst viele Menschen profitieren. Dieses findet aber nur in Ländern statt, die durch stabile Institutionen und freie Märkte geprägt sind. So weist denn auch die Weltbank im erwähnten Bericht darauf hin, dass die Länder, in denen extrem arme Menschen in ihrem Elend verbleiben, diejenigen sind, wo solche Voraussetzungen und vor allem erfolgreiche Unternehmer fehlen.

Gefordert ist mehr Wirtschaftswachstum, nicht mehr Gleichheit

Damit ist ein weiteres Zerrbild entlarvt, das Oxfam verbreitet: nämlich das Bashing von Milliardären, die als CEO oder als Aktionär einer Firma fungieren. Die Organisation fordert in ihrem Bericht aber, dass die Regierungen das Geld der Milliardäre an einfache Menschen verteilen und die Macht der Konzerne zerschlagen. So könne die vorherrschende extreme Ungleichheit bekämpft werden.

Wie die obigen Ausführungen zeigen, muss das oberste Ziel aber nicht die Bekämpfung von Ungleichheit sein – die ohnehin viel kleiner ist, als Oxfam behauptet – , sondern die direkte Bekämpfung von Armut. Das funktioniert nur mit einer wachsenden Wirtschaft, in der auch multinationale Firmen eine Rolle spielen. Konkret hat das kapitalistische Wirtschaftssystem über Jahrzehnte bewiesen, dass es Armut effektiv zu bekämpfen vermag. Mit den rabiaten Forderungen von Oxfam, dieses Wirtschaftssystem umzubauen, riskiert die Entwicklungsorganisation, dass es uns allen am Ende schlechter geht.

Trotzdem hat unser Staatsmedium SRF die Slogans von Oxfam in der «Tagesschau» vom 16. Januar 2024 mehr oder weniger unkritisch weiter verbreitet (siehe hier). Das ist gelinde gesagt irritierend.

1 Kommentar zu “Oxfam liegt falsch: Die Reichen werden reicher, aber die Armen auch

  1. Kurt Käser

    Besten Dank für Ihren aufschlussreichen Artikel.
    Es ist immer wieder verwunderlich, wie das Staatliche Fernsehne völlig unkritisch Beiträge ausstrahlt, die dann von der breiten Bevölkerung ebenso unkritsch wahrgenommen wird.
    Danke Ihnen und dem Nebelspalter für solche Beiträge

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