Kommentar

Robert Habecks Rede gegen den Antisemitismus war gut und wichtig – mit einer Ausnahme

Deutschlands Wirtschaftsminister hat sich in einem Video klar an die Seite Israels und der Juden in Deutschland gestellt. Dafür gibt es viel Lob. Zu Recht. Nur sein väterlich-nachsichtiger Ton gegenüber dem Judenhass im linken Milieu irritiert.

Marc Felix Serrao, Berlin 454 Kommentare 4 min
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, hier an einem Diskussionsabend im Juli in Heidelberg.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, hier an einem Diskussionsabend im Juli in Heidelberg.

Daniel Kubirski / Imago

Robert Habeck hat die Worte zum neu entflammten Judenhass in Deutschland gefunden, die viele seit dem 7. Oktober von der Bundesregierung vermisst hatten. In seiner knapp zehnminütigen Videoansprache bringt der Vizekanzler und Wirtschaftsminister die deutsche Staatsräson gegenüber Israel und dem Judentum auf eine Weise auf den Punkt, wie es zuvor weder der Kanzler noch der Bundespräsident und auch nicht die Aussenministerin und Parteifreundin Habecks vermocht hatten.

Die Journalisten sind aus dem Häuschen

Der Applaus ist gross, und er geht quer durch die politischen Lager, was wohl auch daran liegt, dass die allermeisten deutschen Politiker – Olaf Scholz, Frank-Walter Steinmeier und Annalena Baerbock eingeschlossen – eher minderbegabte Redner sind. Wenn dann einmal einer so spricht, dass man nicht gleich den Eindruck hat, zehn Redenschreiber hätten tagelang jeden Satz glattgebügelt und jede Sprechpause fürs betroffen oder entschlossen Dreinschauen markiert, dann kennt die Begeisterung hierzulande rasch keine Grenzen mehr. Ob Habeck wirklich eine «historische» Ansprache gehalten oder sich damit gar für noch höhere und höchste Staatsämter empfohlen hat, wie viele Journalisten (auch von der NZZ) sofort ins Netz posaunten, darüber kann man geteilter Meinung sein. Aber es ist alles in allem eine gute und wichtige Rede.

«Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren», sagt der Minister im Video – und betont gleich noch einmal: «In keiner.» Es ist diese Absolutheit, die seine Wortmeldung vor anderen, vor allem anderen linken Politikern auszeichnet. Auch deutsche Medien haben in den vergangenen Wochen Kommentare veröffentlicht, die das Leid Israels und den weltweit hochkochenden Judenhass auf eine perfide Weise «kontextualisiert» haben. «Ja, aber», lautet ihre Kernbotschaft.

Ja, der Terror der Hamas war schlimm, aber. . . Und dann folgt stets eine lange Liste von Anklagepunkten gegen das von Feinden umzingelte Israel, welche die Massaker der Hamas vielleicht nicht rechtfertigen, aber doch irgendwie begreifbar machen sollen. Dass die Taten des islamistischen Todeskults ihre Ursache nicht in irgendeinem Regierungshandeln Israels, sondern in dessen blosser Existenz, ja in der Existenz jüdischen Lebens haben, blenden die Ja-aber-Sager aus.

Habeck entlarvt diese «Kontextualisierung» als das, was sie in aller Regel ist: der Versuch einer Relativierung monströser Verbrechen. Er demonstriert sodann, wie man das Leid der Palästinenser thematisieren kann, ohne zum Terrorapologeten zu werden: Ja, das Leben in Gaza sei ein Leben in Perspektivlosigkeit und Armut, sagt er. Ja, das Leid der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sei eine fürchterliche Tatsache. Und ja, Israel müsse humanitäre Hilfslieferungen zulassen und sich an das Völkerrecht halten. Der Unterschied sei, so Habeck: «Wer würde solche Erwartungen je an die Hamas formulieren?» Gute Frage.

Kritik an linken Antisemiten, aber sanft

Die postkolonial verblendete «israelkritische» Linke käme nie auf die Idee, die Hamas für Terror und Leid hauptverantwortlich zu machen. Sie «liest» die Israeli als weisse Unterdrücker und die Palästinenser als indigenes Volk, das im Zweifel immer im Widerstandsrecht ist. Das Ergebnis ist lupenreiner linker Judenhass, den Habeck in seiner Rede ebenfalls geisselt – allerdings, und das ist der einzige Makel seiner Rede, in einem vergleichsweise milden Ton.

Während der Minister den Judenhass von rechts aussen und auch von radikalen Muslimen scharf attackiert, bittet er den fehlgeleiteten Teil des eigenen politischen Lagers lediglich, «seine Argumente zu überprüfen und der grossen Widerstandserzählung zu misstrauen». Dieser väterlich-nachsichtige Ton ist unangemessen. Wer «From the river to the sea» und «Free Palestine from German guilt» skandiert, fordert die Auslöschung Israels und reproduziert das rechtsextreme Gerede vom Schuldkult. Solche Leute haben keine Ermahnungen verdient, sondern Ächtung.

Aus demselben Grund ist Habecks Lob für die deutsche Sektion von «Fridays for Future», mit angeführt von seiner Parteifreundin Luisa Neubauer, mindestens unverständlich. Deren Distanzierung vom antisemitischen Geraune der internationalen «Freunde» der Bewegung sei «mehr als respektabel», lobt der Minister. Ja, wirklich? Warum trennen sich die deutschen Aktivisten dann nicht vom Rest der Bewegung? Warum suchen sie sich keinen neuen Namen?

Das Versagen von Frau Neubauer

Die Antwort, die Frau Neubauer diese Woche in einem langen, liebevoll geführten Interview mit dem «Zeit-Magazin» gegeben hat, ist ein einziges Ausweichmanöver. Eine Namensänderung löse nicht das «eigentliche Problem», sagte sie da. Die globale «Klimakrise» brauche eine globale Bewegung.

«Antisemitismus ist in keiner Gestalt zu tolerieren» – würde Robert Habeck seinen Grundsatz auch auf das aktivistische Vorfeld der eigenen Partei anwenden, dann müsste er zu einem anderen Ergebnis kommen. Denn wer, wie «Fridays for Future Germany», Teil einer Bewegung bleibt, die in Teilen Hass auf Israel und Juden schürt, der tut genau das: Er toleriert Judenhass.

454 Kommentare
Philippe D Dr. Brüggemann

Nein, das Lob ist nicht zu Recht. Aufgeblähte Sprüche haben wir mehr als genug, über alle Staats- und Politiikebenen. Taten zählen, wie etwa der tatsächliche Schutz der Juden in Deutschland oder die Positionierungen in der UNO. Jetzt trötet ja sogar Ricarda Lang von einer dringenden Reduzierung der Zuwanderung und Baerbock davon, dass zugewanderte Antisemiten sich das falsche Land „ausgesucht“ hätten. In diesen Köpfen hat sich nichts geändert, bloß merken selbst sie, wie ihnen die Felle wegschwimmen. 

Heribert Franz

Die Lobeshymnen auf Habeck und seine Rede kann ich nicht verstehen. Gute Reden mag er halten können, aber, ob er meint, was er mit Dackelaugen vorträgt, ist eine anderes Sache. Ich glaube ihm kein Wort. So wie er in Sachen Wirtschaft und damit Energiewende Fakten und Physik aus ideologischen Gründen ignoriert und die Wahrheit verbiegt, so hielt er diese Rede aus opportunistischen Gründen. Es geht um Posten, Pöstchen und Vetternwirtschaft in großem Stil, die es zu schützen gilt. In seiner Partei fehlt ihm der Rückhalt für seine Meinung. Hoffentlich ist der Ampel-Spuk vorbei, bevor Deutschland (damit kann Habeck nichts anfangen) pleite und gesellschaftlich vollends gespalten ist.