Kommentar

Der Verzehr von Fleisch ist weder gut noch böse – aber er muss den richtigen Preis haben

Fleisch ist in der Schweiz je nach Sichtweise zu billig oder zu teuer. Was Konsumenten bezahlen, ist in viele Richtungen verzerrt. Damit der Fleischkonsum in nachhaltige Bahnen gelenkt wird, braucht es korrekte Preise.

Matthias Benz 176 Kommentare 3 min
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Fleisch müsste teurer sein, wenn die Kosten für Umwelt und Klima berücksichtigt würden.

Fleisch müsste teurer sein, wenn die Kosten für Umwelt und Klima berücksichtigt würden.

Adrian Baer

Die Grillsaison neigt sich dem Ende zu. Die Schweizerinnen und Schweizer haben wie gewohnt ihrer Vorliebe gefrönt, Steaks und Würste aufs Feuer zu legen. Doch bei manchen Konsumenten dürfte auch ein schlechtes Gewissen mitgeschwungen haben: Wäre es nicht gut für die Umwelt, weniger Fleisch zu essen?

Ungedeckte ökologische Kosten

Tatsächlich ist Fleisch in der Schweiz in mancher Hinsicht zu billig – und wird deshalb zu viel konsumiert. Die Preise im Laden spiegeln nicht die Kosten, welche die Fleischproduktion für Umwelt und Klima hat.

So trägt die Fleischherstellung den Hauptteil zu den Treibhausgasemissionen der Landwirtschaft bei – der grösste Faktor sind Rinder, die das Klimagas Methan ausstossen. Zudem ist die Tierhaltung mit einem grossen Land- und Wasserverbrauch verbunden, vor allem für den Anbau von Futtermitteln für die Tiere. Sie belastet wegen der Überdüngung Landschaften und Gewässer. Und sie trägt zum Verlust an Biodiversität bei.

Diese Faktoren sind nicht vernachlässigbar. Laut einer ETH-Studie müsste beispielsweise der Preis von Rindfleisch in der Schweiz um rund 50 Prozent höher liegen als heute, wenn die ungedeckten Kosten für Klima und Umwelt berücksichtigt würden.

Dass dies nicht geschieht und die Kosten der Allgemeinheit aufgebürdet werden, ist ein Ärgernis. Ökonomen plädieren seit je für Kostenwahrheit: Der Preis eines Gutes sollte alle Kosten vollständig spiegeln. Sonst wird nicht die gesellschaftlich verträgliche Menge produziert und konsumiert. Es ist deshalb klar: Aus ökologischer Sicht ist Fleisch zu billig. Das gilt sowohl für die Schweiz als auch weltweit.

Grenzschutz erhöht Preise

Allerdings ist Fleisch in der Schweiz aus einer anderen Perspektive auch zu teuer. Das liegt an den hohen Zollmauern. Um die hiesigen Bauern zu schützen, werden an der Schweizer Grenze happige Zölle auf Fleischimporte erhoben. Das treibt die Preise für die Konsumenten in die Höhe.

Wie gross die Unterschiede sind, zeigt ein Blick in die Nachbarländer. In Österreich beispielsweise kostet Fleisch vergleichbarer Qualität nur rund die Hälfte. Der Fleischkonsum könnte für die Schweizerinnen und Schweizer also deutlich günstiger sein, wenn die Politik Einfuhren aus dem Ausland vereinfachen würde.

Die Situation ist paradox: Fleisch ist in der Schweiz gleichzeitig zu billig und zu teuer. Das mag zum Gedanken verleiten, dass die Preise insgesamt vielleicht doch gerade richtig liegen. Der Grenzschutz wäre unabsichtlich ein Instrument, das die Lebensmittelpreise nach oben treibt und die Schweizer vom übermässigen Fleischkonsum abhält. Und die Schweizer Bauern könnten sich sagen: Dann ist ja alles gut, wir brauchen nichts an der Landwirtschaftspolitik und an unseren Produktionsweisen zu ändern.

Falsche Anreize

Doch dieser Schluss wäre falsch. So, wie die Preise heute ausgestaltet sind, setzen sie die falschen Anreize am falschen Ort.

Bei den Schweizer Bauern kommt nämlich das Signal an, dass der Treibhausgasausstoss oder die Überdüngung für sie folgenlos sind. Unter dem gegenwärtigen Regime betreiben sie deshalb zu wenig Umweltschutz. Das könnte man beispielsweise ändern, indem eine Lenkungsabgabe auf Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft erhoben würde. Dann würde sich Umweltschutz lohnen.

Die falschen Signale kommen ebenfalls bei den Bauern im Ausland an. Der heutige Grenzschutz macht den Schweizer Markt für sie unattraktiv. Hingegen würde eine Marktöffnung ihnen einen Anreiz für eine nachhaltigere Fleischproduktion bieten. Die Schweizer Konsumenten haben eine hohe Kaufkraft. Sie könnten sich problemlos den Kauf von Fleisch leisten, das im Ausland vergleichsweise ökologisch produziert wird. Dank solchen Importen liesse sich die Umweltbelastung ihres Fleischkonsums in der Summe reduzieren.

Es ist mithin zentral, dass Preissignale am richtigen Ort wirken können. Nur wenn die Preise stimmen, lässt sich der Fleischkonsum in nachhaltigere Bahnen lenken.

176 Kommentare
Jürg Simeon

Die NZZ vom grünen Sektierertum angesteckt? Das wichtige für mich ist, dass die Tiere anständig resp. artgerecht gehalten werden. Kostenrechnungen für Treibhausabgasen sind ideologiegetrieben, willkürlich, hören wir auf damit.

R. G.

All das regelt der Markt von alleine. Es braucht keinen Staat, erst recht keinen Nannystaat dafür. Freiheit ist das oberste Gut. Und der Mensch ist eben kein Vegetarier.