Der andere Blick

Intel-Werk Magdeburg: Warum Deutschland die Milliardensubventionen verweigern sollte

Als gute Nachricht für Magdeburg, Deutschland und die ganze EU hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Aufstockung der staatlichen Förderung für eine Halbleiterfabrik von Intel gefeiert. Das Gegenteil ist der Fall.

René Höltschi, Berlin 97 Kommentare 3 min
Drucken
Unterzeichnung der Absichtserklärung zwischen der Bundesregierung und Intel: Keyvan Esfarjani, Vorstandsmitglied von Intel, Staatssekretär Jörg Kukies (vorne von links), Intel-Chef Pat Gelsinger und Bundeskanzler Olaf Scholz (hinten von links).

Unterzeichnung der Absichtserklärung zwischen der Bundesregierung und Intel: Keyvan Esfarjani, Vorstandsmitglied von Intel, Staatssekretär Jörg Kukies (vorne von links), Intel-Chef Pat Gelsinger und Bundeskanzler Olaf Scholz (hinten von links).

Chris Emil Janssen / Imago
René Höltschi, Wirtschaftskorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» in Berlin.

René Höltschi, Wirtschaftskorrespondent der «Neuen Zürcher Zeitung» in Berlin.

NZZ

Sie lesen einen Auszug aus dem werktäglichen Newsletter «Der andere Blick», heute von René Höltschi, Wirtschaftskorrespondent der NZZ in Berlin. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.

Es ist die bisher grösste Einzelinvestition eines ausländischen Unternehmens in Deutschland, und sie wird mit einer gigantischen Summe subventioniert: Mit fast 10 Milliarden Euro will der Staat den Bau zweier Halbleiterfabriken des US-Konzerns Intel in Magdeburg fördern. Damit kommt der deutsche Steuerzahler für knapp einen Drittel der geplanten Investitionen auf – und jeder dauerhafte Arbeitsplatz, der direkt bei Intel entsteht, wird mit etwa 3 Millionen Euro unterstützt.

Das Dilemma

Gewiss, Europas Politiker stehen vor einem Dilemma. Zum einen sind Halbleiter eine wichtige Schlüsseltechnologie, Lieferengpässe während der Pandemie haben die Wirtschaft belastet, und die Spannungen zwischen China und Taiwan sowie China und den USA machen die grosse Abhängigkeit von Chips aus Asien zum Risiko. Zum andern entsteht kaum ein Chipwerk auf der Welt ohne Subventionen. Verweigern Deutschland und Europa die Förderbegehren potenzieller Investoren, riskieren sie, dass diese zum Meistbietenden weiterziehen.

Gleichwohl spricht vieles dagegen, sich in diesen Subventionswettlauf zu stürzen. Erstens ist die Absicherung gegen Lieferrisiken zuallererst die Aufgabe der Unternehmen, nicht des Staates. Abhängigkeiten reduzieren kann man nicht nur durch Produktionen vor der Haustüre, sondern vor allem auch durch Diversifizierung der Bezugsquellen – Halbleiterfabriken gibt es zum Beispiel auch in Irland und den USA – und Lagerhaltung, bei Rohstoffen zudem durch Recycling.

Berlin macht sich erpressbar

Zweitens sollte der Staat seine knappen Mittel für die Verbesserung der Rahmenbedingungen aller Firmen einsetzen, statt willkürlich einzelne herauszupicken. Kaum ein Mittelständler kann sich einen Drittel seiner nächsten Investition vom Staat bezahlen lassen. Doch jeder würde profitieren, würde Deutschland dieselben 10 Milliarden Euro in den Ausbau von Stromleitungen, die Sanierung maroder Autobahnbrücken, Bahntrassen und Schulen, in die Forschung oder die Digitalisierung der Verwaltung investieren. Zugleich würde dies den Standort für ausländische Investoren attraktiver machen.

Drittens macht sich erpressbar, wer sich auf einen Subventionswettlauf einlässt. Deutschland hatte ursprünglich 6,8 Milliarden Euro für das Intel-Projekt zugesagt. Nun hat der Intel-Chef Pat Gelsinger unter Verweis auf höhere eigene Investitionen eine Aufstockung auf 10 Milliarden Euro durchgesetzt.

Da Berlin und die EU nie Zweifel daran gelassen haben, wie wichtig ihnen diese Ansiedlung ist, hatte er eine komfortable Verhandlungsposition. Was, wenn er in fünf Jahren erneut Geld braucht und mit Abwanderung droht? Was, wenn morgen der nächste Chiphersteller oder ein Produzent eines anderen «strategisch wichtigen» Produkts anklopft?

Staat ist nicht Unternehmer

Viertens übernimmt der Staat mit solchen Entscheiden unternehmerisches Risiko, was nicht seine Aufgabe ist und wofür er schlecht geeignet ist. Die Wirtschaftsgeschichte ist voller geförderter Investitionsruinen und herbeisubventionierter Überkapazitäten. Letztere bilden gerade in der stark zyklischen Halbleiterindustrie ein Risiko. Auch das Argument der Sicherung von Arbeitsplätzen verfängt hier nicht: Angesichts des Fachkräftemangels in der Chipindustrie wird Intel die Mitarbeiter bei anderen Firmen abwerben müssen.

Und fünftens: Kommt der Staat trotz all diesen Einwänden zum Schluss, aus Gründen der Geopolitik und der Resilienz einzelne Chipfabriken anlocken zu müssen, stellt sich noch immer die Frage nach Mass und Instrument. Würde der Staat Steuernachlässe gewähren, statt Investitionskosten zu übernehmen, müssten die Unternehmen immerhin zunächst auf eigene Kosten investieren und Gewinne erzielen.

«Das ist eine gute Nachricht für Magdeburg, Deutschland und ganz Europa», kommentierte Bundeskanzler Olaf Scholz die Subventionsvereinbarung am Montag. Nein: Sie ist eine schlechte Nachricht für die liberale Wirtschaftsordnung und den Steuerzahler.

Sie können dem Berliner Wirtschaftskorrespondenten René Höltschi auf Twitter folgen.

97 Kommentare
Gerhard Rinker

Deutsche Industriepolitik made by Habeck Die Ansiedlung eines AMERIKANISCHEN Halbleiterwerks lässt sich der in Technologiefragen besonders bewanderte Kinderbuchautor 10 Milliarden kosten. Chapeau! Nur so am Rande: Deutsche Unternehmen schickt man durch irrsinnige grüne Bürokratie und eine total bekloppte Energiepolitik in die Pleite. Die größeren Unternehmen schaffen den Sprung über den großen Teich. Sie besitzen dort bereits heute über kompetente Niederlassungen, die sich bei Fortsetzung des Habeck-Wahnsinns umgehend in das Headquarter von BASF, Siemens, ThyssenKrupp und weiterer Unternehmen verwandeln lassen. Selbst Mittelständler sitzen schon auf gepackten Koffern. Die abgewanderten Unternehmen zahlen dann auch dort ihre Steuern. Zum Ausgleich erhält der deutsche Staat einige 100.000 Arbeitslose mehr. Macht ja nichts, die Einwanderer in die Sozialsysteme sind ja Goldstücke (größter SPD-Vorsitzender aller Zeiten). PS: Ein Kernkraftwerk mit 1.750 MW würde heute etwa 10 Milliarden kosten. Sobald der grüne Diktator wieder Kinderbücher schreibt, wird man auch darüber nachdenken.

Alexander Kocks

Dazu passt eigentlich die Nachricht, das heute der Hersteller der Weck Einmachgläser in die Pleite gegangen ist, ein Unternehmen dass seid 132 Jahren diese Gläser in Deutschland produziert hat. Das Unternehmen hat keinen Grund für die Insolvenz genannt, aber man darf vermuten, dass hohe Energiepreise der Grund sind.  Die Herstellung und Verarbeitung von Glas ist äusserst energieintensiv.