Kommentar

Die SNB ist dem Bundesrat bei der Credit-Suisse-Krise zu weit entgegengekommen

Man sei gegenüber der Credit Suisse an die Grenzen dessen gegangen, was für die Schweizerische Nationalbank (SNB) noch zulässig sei, sagt SNB-Präsident Thomas Jordan. Eigentlich ist sie überschritten worden.

Thomas Fuster 23 Kommentare 3 min
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Nationalbankchef Thomas Jordan musste beim Credit-Suisse-Deal grundlegende Prinzipien der Geldpolitik hintanstellen.

Nationalbankchef Thomas Jordan musste beim Credit-Suisse-Deal grundlegende Prinzipien der Geldpolitik hintanstellen.

Denis Balibouse / Reuters

Das Rettungspaket für die Credit Suisse ist nichts für Zartbesaitete. Was der Bundesrat, die Schweizerische Nationalbank (SNB), die Finanzmarktaufsicht (Finma) und die zwei involvierten Banken am Abend des 19. März präsentierten, war brachial: Da wurde mit Notrecht eine Bankübernahme erzwungen; Obligationäre sahen ihr Geld ausradiert; wettbewerbspolitische Bedenken wurden ausser Kraft gesetzt; und Milliarden an staatlichen Garantien sicherten das Konstrukt behelfsmässig ab.

Darlehen ohne Sicherheiten

Dass die Hauruckübung in der Öffentlichkeit einigen Unmut auslöste, überrascht nicht. Bisher haben neben der Credit Suisse vor allem der Bundesrat und die Finma ihr Fett abgekriegt. Eher glimpflich kommt bei der Manöverkritik die SNB weg. Dabei hat auch die Währungsbehörde in den Giftschrank gegriffen. Sie hat der CS teilweise Liquidität bereitgestellt, ohne dafür Sicherheiten in Form von Wertschriften oder Hypotheken zu erhalten. Das ist – zurückhaltend formuliert – höchst aussergewöhnlich für Zentralbanken.

Die Nationalbank musste über ihren Schatten springen. Deren Präsident, Thomas Jordan, hat am Freitag an der Generalversammlung der SNB gesagt, man sei an die Grenzen dessen gegangen, «was für uns noch zulässig ist». Man habe bei der Bereitstellung der Liquidität nur deshalb auf Sicherheiten der CS verzichtet, weil rasches Handeln entscheidend gewesen sei, um unter anderem den Abfluss der Kundengelder zu stoppen. Ohne diese Bereitschaft hätte es laut Jordan «leicht zu einer globalen Finanz- und Wirtschaftskrise kommen können».

Ob das Schreckensszenario tatsächlich eingetreten wäre, weiss niemand. In Erinnerung bleiben wird aber, dass die SNB bisweilen ihre Prinzipien hintanstellt, wenn es hart auf hart geht. Das führt zu Fehlanreizen. Denn wozu sollen Banken ausreichende Sicherheiten halten, die sie notfalls für Liquidität hinterlegen können, wenn nun jedermann weiss, dass solches Geld im Ernstfall auch ungesichert fliesst? Was einmal geschah, so die Erwartung vieler Banken, dürfte auch ein zweites oder drittes Mal möglich sein.

Unterhöhlung der Unabhängigkeit

Der geldpolitische Tabubruch, ungesicherte Darlehen zu gewähren, hat den Finanzsektor wohl kurzfristig stabilisiert. Langfristig dürfte aber das Gegenteil der Fall sein. Jordan hat am Freitag zwar gefordert, die Banken müssten nun dazu angehalten werden, «ausreichend Aktiven zu halten, die sie jederzeit verpfänden oder übertragen und somit als Sicherheiten in bestehende Liquiditätsfazilitäten einliefern können». Doch mit ihrem Verhalten in der CS-Krise hat die SNB gezeigt, dass es offenkundig auch anders – und für die Banken deutlich billiger – geht.

Damit nicht genug. Äusserst unappetitlich an der Sache ist auch die Notverordnung zu den zusätzlichen Liquiditätshilfe-Darlehen. Dort sichert sich der Bundesrat das Recht zu, eigenmächtig die Höhe solcher Darlehen festzulegen. Dass die SNB zumindest noch konsultiert wird, ändert wenig am Eindruck, dass die Notenbank zur Erfüllungsgehilfin der Regierung verkommt. Das steht quer zur gesetzlich verankerten Unabhängigkeit, wonach die SNB bei ihren Aufgaben von politischen Stellen keine Weisungen einholen oder entgegennehmen darf.

Der 19. März ist kein ruhmvoller Tag für die SNB. Selbstverständlich war es richtig, dass die Notenbank als letzte Instanz Liquidität bereitstellte. Die eigenen Prinzipien und das Gebot einer klaren Trennung von Geld- und Finanzpolitik hätte sie aber nicht opfern dürfen. Für Darlehen ohne Sicherheiten hätte aus ordnungspolitischer Sicht vollumfänglich der Bund garantieren müssen. Dass er das nicht wollte, ist verständlich, weil der Rückgriff auf die SNB die Kosten des CS-Deals zu kaschieren hilft. Das nützt aber nur dem Bundesrat. Für die Nationalbank ist das weitreichende Zugeständnis ein Sündenfall.

23 Kommentare
Pretty Mohr

Die Kommentare verkennen die Tatsache, dass die Vermögensverwaltung des Schweizer Finanzplatz implodiert wäre ohne die “brachiale” Lösung. London, NY, Singapore hätte es gefreut. Wenn jetzt der arme Steuerzahler zitiert wird, was ist mit dem armen Sparer, der jahrelang unter Negativzinsen gelitten hat wegen der Interventionen im Euro zugunsten der Exportindustrie? Und jetzt dank Inflation weiter Kaufkraft verliert? im Übrigen kann keine Bank derart kapitalisiert sein, dass sie einen “run” übersteht. Es geht nun Mal nicht ohne den “lender of the last resort”. 

Werner Abegg

Im Nachhinein fehlt es jeweils nicht an Rezepten. Ich frage mich, welche Kommentare und Editorials wir vorfinden würden, wenn man die CS hätte Konkurs gehen lassen und man damit womöglich an einer internationalen Finanzkrise mitschuldig geworden wäre. Die jetzige Lösung freut niemanden, weist Unappetitliches auf und ist doch die am wenigsten schlechte.