Klima

Adam Smith: Klimaaktivist

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Die Weichen in Richtung Klimaneutralität wurden schon vor fast 20 Jahren gestellt. Mit den jüngsten Beschlüssen des EU-Parlaments wird dieser Weg entschlossen fortgesetzt. Ein Policy Brief über die oft missverstandene Klimapolitik der EU. Und ihre ungeeigneten Alternativen.

Jeder mit einem guten Konversationslexikon kennt heute die Geschichte von BP und dem ökologischen Fußabdruck: Der britische Mineralölkonzern bewarb das Konzept schon in den 2000er-Jahren eifrig und versuchte damit, den Klimawandel semantisch den Konsumenten umzuhängen. Diese konnten nun auf einer Website ihre persönliche CO2-Schuld ausrechnen und sich dann entsprechend schlecht fühlen. Und das taten sie auch. Wie von den Ölmagnaten gewünscht, zeigten die Menschen mit dem Finger bald nicht mehr auf sie, sondern aufeinander: Du fliegst zu viel! Du isst zu viel Fleisch! Du trennst deinen Müll nicht! Klimapolitik wurde von einer komplexen Angelegenheit aus Naturwissenschaft, Technik und Ökonomie zu einer individuellen Schuldfrage.

In 2000ger Jahren wurde Klimapolitik von einer komplexen Angelegenheit aus Naturwissenschaft, Technik und Ökonomie zu einer individuellen Schuldfrage.

Im Laufe der Zeit hat sich das Blatt freilich gewendet. Seit einigen Jahren wird die öffentliche Diskussion verstärkt von Aktivistengruppen bestimmt, die den Klimawandel wieder als kollektive Schuld der jeweils anderen begreifen; wahlweise diejenige der Industrie, der Politik oder einfach der Reichen. Diese Schulddebatten sind natürlich stark vereinfachend. Aber doch könnten sie einen wichtigen Punkt berühren, der für die Ausgestaltung von Klimapolitik relevant ist: Wen soll wirkungsvolle Klimapolitik denn nun in die Pflicht nehmen? Die Produzenten, weil sie es sind, die die Maschinen abstellen könnten? Oder die Konsumenten, weil sie mit ihrer Nachfrage erst dafür sorgen, dass die Maschinen überhaupt laufen? Oder ist die Frage am Ende doch irrelevant, weil es sowieso nichts Richtiges im Falschen gibt?

System change, not climate change?

Dass sich junge Menschen für den Erhalt ihrer Lebensgrundlagen einsetzen und das auch mit unkonventionellen Mitteln an ungewöhnlichen Orten tun, ist nur verständlich. Doch aus ökonomischer Sicht endet das Verständnis schon hier. Die Forderungen der Aktivisten sind oft widersprüchlich, vor dem Hintergrund der schon existierenden Klimapolitik schlicht wirkungslos und in ihrem Anspruch auf sofortige Umsetzung geradezu gefährlich.

Gleichzeitig sind die Verbote oft sehr ineffizient und verursachen hohe ökonomische Kosten.

Was viele der Gruppierungen zu einen scheint, ist eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Marktwirtschaft und Globalisierung. Eine harte Hand wird verlangt. Konsequenterweise laufen die Forderungen dann oft auf Verbote und Auflagen hinaus. Natürlich ist das im Umweltbereich keinesfalls neu. Wer heute einen Kühlschrank mit Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) oder einen Pkw ohne Katalysator in den Verkauf bringt, wird einen guten Anwalt brauchen. Doch solche Maßnahmen haben zahlreiche Nachteile. Am Ende würden viele von ihnen kaum einen Unterschied machen, da sie vor dem Hintergrund der schon existierenden Klimapolitik der EU nur einen „Wasserbetteffekt“ auslösen würden.[1] Gleichzeitig sind sie oft sehr ineffizient und verursachen hohe ökonomische Kosten.[2] Außerdem greifen sie massiv in Eigentumsrechte ein; die treuen Wegbegleiter von Verbotspolitik sind daher entweder Entschädigungszahlungen[3] oder üppige Subventionen.[4] Verbote disqualifizieren sich außerdem dadurch, dass selten vorab klar ist, was genau man verbieten soll oder wie viel von etwas noch erlaubt sein darf. Steigt man zu früh aus einer Technologie aus, blockiert man womöglich etwas, das sich noch als Teil der Lösung herausstellen könnte. Die Fehlerwahrscheinlichkeit ist hoch, da solche Entscheidungen von Politikern getroffen werden müssen, die weder Wahrsager sind, noch Ahnung von technischen Fragen haben.

Diese Art von Verbotspolitik ist so ineffizient und würde mit so drastischen Einschnitten in die Lebensqualität der Menschen einhergehen, dass sie demokratisch nicht durchzuhalten wäre.

Diese Art von Verbotspolitik ist so ineffizient und würde mit so drastischen Einschnitten in die Lebensqualität der Menschen einhergehen, dass sie demokratisch nicht durchzuhalten wäre. Das weiß auch die Letzte Generation. Daher ist eine ihrer zentralen Forderungen die Einsetzung eines Bürger:innenrats aus zufällig ausgelosten Bürgern, der verbindliche Vorschläge zur Erreichung der Klimaneutralität machen soll. Derartige Vorstellungen, die „Menschen selbst entscheiden zu lassen“ – bis hin zu einer Neuinterpretation des Demokratiebegriffs überhaupt – kennen wir bereits aus dem Umfeld des Club of Rome.[5] Die Verfassungsorgane mögen die Vorschläge des Bürger:innenrats dann bitte zügig umsetzen.

Und dann? In Mitteleuropa könnten wir uns ja durchaus in die Klimaneutralität hineinhungern, wie in eine zu enge Hose. Aber was ist mit dem Jo-Jo-Effekt? Wie sagen wir unseren Kindern, dass sie ihre materiellen Lebensumstände technisch zwar verbessern könnten, es aber nicht dürfen? Vielleicht halten sie sich an das Verbot, vielleicht nicht. Und wie teilt der österreichische Bürger:innenrat sein Verdikt eigentlich dem Rest der Welt mit?

Obwohl Klimaaktivismus stets irgendwie nachhaltig und der Zukunft zugewandt daherkommt, bleibt er doch genau das: Aktivismus.


Fußnoten

  1. Emissionen werden dann nur zwischen Personen, Sektoren, Zeitpunkten oder Ländern verschoben (Wambach, 2022).
  2. Vgl. z.B. Anthoff und Hahn (2010).
  3. Zum Beispiel sprach das deutsche Bundesverfassungsgericht im Zuge des Atomausstiegs den Kraftwerksbetreibern hohe Entschädigungen für Reststrommengen und umsonst getätigte Investitionen zu. Auch der Kohleausstieg wird ein teures Unterfangen.
  4. Auf das österreichische Ölheizungsverbot folgten zum Beispiel Förderschienen für alternative Heizungsarten.
  5. Vgl. z.B. Maxton (2018).
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