«Marktversagen»: Diagnose von Egozentrikern
Gibt es Marktversagen wirklich?

«Marktversagen»: Diagnose von Egozentrikern

Für alle auftretenden Probleme wird heute immer der gleiche Sündenbock verantwortlich gemacht: der Kapitalismus mit seinen freien Märkten. Diese Märkte würden im grossen Stil versagen, wenn man sie sich selbst überlassen würde, heisst es. Es kämen dabei nicht jene Ergebnisse heraus, die für die Menschen vorteilhaft seien. Solches Marktversagen gelte es deshalb durch staatliche Interventionen zu «korrigieren». Bei genauem Hinsehen entpuppt sich der Begriff aber als geschickte Floskel zur Durchsetzung von Eigeninteressen.

Was ist denn dieser ominöse Markt überhaupt? Der Begriff beschreibt die Gesamtheit aller Austauschhandlungen, die friedlich und freundlich ablaufen. «Friedlich» bedeutet, niemand kommt dabei zu schaden. «Freundlich» bedeutet, man stellt nicht nur sich selbst, sondern auch den Tauschpartner besser. Es handelt sich ausschliesslich um Tauschbeziehungen, die auf Freiwilligkeit basieren und folglich im Interesse aller Beteiligten sind. Ist Gewalt und Zwang im Spiel, so ist nicht von einem Markttausch zu sprechen, sondern von einem Verbrechen, das geahndet werden sollte.

Wie bitte sollen nun friedliche und freundliche Tauschhandlungen im breiten Stil «versagen»? Licht ins Dunkel kommt, wenn wir uns vergegenwärtigen, was mit «versagen» überhaupt gemeint ist. Aus Sicht des Bewertenden «versagt» der freie Markt dann, wenn die Ergebnisse nicht so ausfallen, wie er sich das wünscht. Wenn also der Bewertende beispielsweise ein Hersteller von Solaranlagen ist oder Solarstrom besser findet als andere Energiequellen, so «versagen» aus seiner Sicht vielleicht dann die Märkte, wenn es Marktteilnehmer gibt, die aus was für Gründen auch immer eine Ölheizung bevorzugen.

Doch dieses Urteil, wonach der Markt «versagt», ist rein subjektiver Natur und keine objektive Tatsache. Mit dem Vorwurf des «Marktversagens» und der Forderung nach staatlichen Verboten (z.B. von Ölheizungen) wollen die Ankläger vertuschen, dass sie in Wahrheit einen Machtanspruch erheben: Sie wollen anderen vorschreiben, wie diese zu leben haben. Das behauptete «Marktversagen» ist dann eine willkommene Scheinrechtfertigung für deren Angriff auf ihre Mitbürger, die man unter Androhung oder Anwendung von Gewalt zu einem anderen Verhalten nötigen möchte.

Grenzenlose Anmassung

Ein «Marktversagen» wird auch gerne dort behauptet, wo angeblich ohne staatliche Gewaltandrohung ein «zu tiefer» oder ein «zu hoher» Preis resultiere. Doch auch hier stellt es eine Anmassung des Beurteilenden dar, objektiv festlegen zu wollen, welcher Preis bei einem Gut der richtige ist.

Wenn also z.B. Lehrer von Staatsschulen oder Journalisten von staatlich subventionierten Medien behaupten, ihre Löhne würden auf einem freien Markt zu tief ausfallen, so bezieht sich das «zu tief» lediglich auf ihre eigenen Präferenzen, nämlich nach einem möglichst guten Einkommen. Ausgeklammert wird die Gegenseite der Medaille: Nämlich die Tatsache, dass erzwungene höhere Saläre für Staatsangestellte ein grösseres finanzielles Loch im Portemonnaie der Steuerzahler hinterlassen.

Der staatlich unberührte Marktpreis bringt die individuelle Wertschätzung für ein spezifisches Gut oder eine spezifische Leistung zum Ausdruck. Menschen sind – einmal abgesehen davon, dass sie bestimmte Grundbedürfnisse befriedigen müssen um zu überleben – voneinander grundverschieden. Sie haben unterschiedliche Perspektiven auf die gleichen Dinge und bewerten die gleichen Dinge unterschiedlich. Im Englischen gibt es dafür eine schöne Bezeichnung: «One man’s trash is another man’s treasure.» Die unterschiedliche Bewertung kommt von der unterschiedlichen Zielsetzung her. Was uns den eigenen Zielen näher bringt, bewerten wir höher als andere Dinge, die uns nicht gross weiterhelfen.

Wenn wir z.B. seit zwei Tagen durstig durch eine heisse Wüste irren und dann auf einen Getränkehändler treffen, sind wir vermutlich bereit, fast unser ganzes Vermögen herzugeben, um eine Wasserflasche zu kriegen. Denn diese bringt uns unserem Ziel, das eigene Überleben zu sichern, näher, als wenn wir sie nicht kaufen würden. Auf der anderen Seite wird jemand, der nicht durstig ist und seinen Bedarf auf absehbare Zeit gut stillen kann, nicht dazu bereit sein, viel Geld für dieselbe Wasserflasche zu bezahlen. Der Wert eines Gutes liegt also nicht im Gut selbst (und auch nicht in der Arbeitszeit, die zur Herstellung des Gutes notwendig war, wie Ricardo und Marx behaupteten), sondern in der subjektiven Wertschätzung von Individuen.

Der Marktpreis ist ein Aushandlungsergebnis von Angebot und Nachfrage. Wenn man sich preislich findet, so kommt es zum Austausch. Der Marktpreis ist also ein Ergebnis, mit welchem alle Vertragsparteien leben können – ansonsten hätten sie den Vertrag ja nicht freiwillig abgeschlossen. Wenn ein einziger Akteur eine Bewertung vornimmt hinsichtlich dessen, was er glaubt, seien die richtigen Prioritäten der Wirtschaft, die richtigen Mengen und richtigen Preise, so ist das eine Sache. Eine andere Sache ist, was im Aushandlungsprozess der Vielen herauskommt, in welchem nicht nur ein Urteil einfliesst, sondern die Urteile aller Beteiligten.

Freie Märkte versagen nicht

Wenn jemand behauptet, «der Markt» setze nicht die richtigen Prioritäten und stelle die Dinge in falscher Menge her, so ist das sein subjektives Urteil. Eine solche Perspektive ist letztlich eine egozentrische, weil sie von den eigenen Werten auf das grosse Ganze schliesst: «Ich – und nur ich – weiss, was der korrekte Produktionsschwerpunkt ist und in welcher Menge etwas hergestellt werden muss.» Den anderen wird dieses Wissen nicht zugetraut und – wenn man ein «Marktversagen» anführt – auch eine Stimme im Aushandlungsprozess verweigert. Vielmehr will man seine höchst subjektive Sicht der Dinge mit staatlicher Gewalt durchsetzen, was man dann euphemistisch «Korrektur des Marktversagens» nennt.

Ein freier Markt versagt nicht. Er bringt lediglich die unterschiedlichsten Bedürfnisse, Präferenzen und Ziele verschiedenster Individuen miteinander in Einklang. Es ist ein friedlicher Aushandlungsprozess zwischen Menschen mit verschiedensten Interessen. Die freie Marktwirtschaft verdient deshalb unsere Wertschätzung, nicht unsere Verachtung, weil ihr Beitrag für Frieden, Freiheit und Wohlstand nicht genügend betont werden kann.

 

Olivier Kessler

Der Autor ist Direktor des Liberalen Instituts in Zürich. Dieser Beitrag ist in der Finanz und Wirtschaft erschienen.

Sarah Arnold

Kantonsrätin FDP.Die Liberalen Luzern

11mo

Dann kann man also auch nicht von Marktversagen reden wenn die verschiedenen Bedürfnisse ethisch nicht korrekt sind? - z.B. Sklaverei etc.? Staatseingriffe wären demnach dann auch keine Markteingriffe?

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Ich kann hier nicht mehr als zustimmen! Die Wählscheibe wurde ja bekanntlich durch staatliche Regulierung abgeschafft. Und das Internet durch kreative Behörden eingeführt.

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Ernst Lebsanft

Board Member & Investor

11mo

Den „freien Markt“ wie hier ziemlich einfältig von Kessler definiert gibt es allenfalls als Lehrbuchmodell für Erstsemester. Reale Märkte waren schon immer organisierte Veranstaltungen, bei denen es noch nie nur friedliche und freundliche Teilnehmer gab und gibt, sondern auch jede Menge Betrüger, Erpresser und andere Verbrecher. Es gibt auch Teilnehmer, die - oft mit sehr fragwürdigen Methoden - es schaffen, andere Teilnehmer aus dem Markt zu drängen, bis es de facto keinen Markt mehr gibt. Es gibt also sehr wohl Marktversagen und die gegenteilige Behauptung ist schlicht total falsch. Gleichwohl sind etliche Kritikpunkte von Kessler richtig.

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Thorsten Klinkner

Echte Lösungen zur Unternehmenssicherung

12mo

Freie Märkte, das Rechtstaatsprinzip und der Schutz des privaten Eigentums sind Grundpfeiler unserer Demokratie und des allgemeinen Wohlstands. Wer den freien Markt bekämpft, bekämpft letztlich unsere aktuelle Verfassung und ignoriert die Erkenntnisse aus der Geschichte von weltweiten anderen "Experimenten", die zu millionenfachem Leid geführt haben. #liberalismus #demokratie #marktwirtschaft https://www.misesde.org/2012/05/liberalismus-und-kapitalismus/

Aaron P. Gerber 🇨🇭

Projekte & Support bei Gerber

12mo

Wir haben es in der Hand: >>> Klimagesetz am 18. Juni : NEIN >>> Bei den Parlamentswahlen im Herbst die grüne Sekte aus dem Parlament werfen. Es sind die gleichen Leute, die uns weismachen wollen, wir könnten frei wählen unter 73 Geschlechtern, die uns aber vorschreiben wollen, wie wir zu essen, zu reisen, zu heizen, und ganz generell wie wir zu leben haben. In Deutschland wird diese Agenda zur Zeit realisiert, das Land an die Wand gefahren und ruiniert. Wir sollten nicht so dumm sein, diesem abstossenden Beispiel zu folgen.

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