Gastkommentar

Die UBS muss global konkursfähig werden – oder deutlich «kleiner»

Der Königsweg der globalen Abwicklungsfähigkeit einer Grossbank sollte nicht vorschnell aufgegeben werden. Erweist er sich in der Analyse aber als nicht umsetzbar, dann sollte man nicht zögern, die UBS über Regulierungen deutlich risikoärmer zu machen.

Aymo Brunetti 35 Kommentare 6 min
Drucken

Einmal ist schon höchst problematisch, aber zweimal ist definitiv inakzeptabel. Innerhalb von nicht einmal 15 Jahren mussten beide Schweizer Grossbanken unter Einsatz von Notrecht und mit substanzieller staatlicher Beteiligung vor einem potenziell brandgefährlichen Zusammenbruch bewahrt werden. Und angesichts der riesigen Bilanzen dieser Unternehmen waren diese Aktionen mit massiven Risiken für den Bundeshaushalt verbunden.

Vor diesem Hintergrund ist es glasklar, dass sich die Schweiz ein weiteres Mal definitiv nicht leisten sollte und kann. Die Nachbereitung des CS-Falls muss das 2008 deklarierte Ziel jetzt endgültig und unmissverständlich erreichen: Es darf kein Unternehmen geben, das too big to fail (TBTF) ist! Und da gibt es letztlich nur zwei Ansätze: Entweder ist ein Konkurs inklusive globaler Sanierung oder Abwicklung ohne staatliche Unterstützung in plausiblen Krisenszenarien möglich, oder aber die verbliebene Grossbank muss «kleiner» werden – die Anführungszeichen meinen risikoärmer, und zwar in dem Sinne, dass sie keine Geschäfte mehr machen darf, die die globale Systemstabilität gefährden.

Abwicklungsfähigkeit bleibt der Königsweg

Dass eine Geschäftsidee scheitern und damit ein Unternehmen Konkurs gehen kann, gehört zu den Grundlagen einer funktionierenden Marktwirtschaft. Besteht diese Möglichkeit nicht, dann führt dies zu schwerwiegenden Fehlanreizen und Dysfunktionalitäten. Grossbanken, die TBTF sind, sind in unserer Wirtschaftsordnung deshalb inakzeptabel, und entsprechend intensiv wurde nach der grossen Finanzkrise an einer Lösung gearbeitet.

Das Ziel der regulatorischen Bemühungen war in der Schweiz und, im Rahmen der Arbeiten des Financial Stability Board (FSB), auch international sehr rasch klar: Eine Grossbank muss abwicklungsfähig werden und damit den TBTF-Status einbüssen. Das heisst, in einem Krisenfall müssen die Behörden eine Sanierung oder einen geordneten Konkurs verfügen können.

Gelingt dies, so ist das allen anderen Regulierungsansätzen deutlich überlegen. Jede Alternative bedeutet nämlich, die Geschäftstätigkeit der Banken regulatorisch zu steuern, was den Nachteil eines jeden planwirtschaftlichen Ansatzes hat: Die Behörden müssten nicht nur die bestehenden Geschäfte und ihre Risiken kennen und sie regulieren, sondern sie müssten auch laufend jede Innovation beurteilen und entsprechend nachregulieren.

Angesichts dieser bürokratischen Herausforderungen ist es wesentlich zielführender, den Grossbanken ihre unternehmerische Freiheit zu belassen unter der Voraussetzung, dass sie jederzeit abgewickelt werden können. Dieser Ansatz bleibt der Königsweg der Grossbankenregulierung und bestimmte die Schweizer und die internationalen TBTF-Regulierungsbemühungen des vergangenen Jahrzehnts.

Auf Basis dieser Vorgaben bauten die Grossbanken mit grossem Aufwand ihre Organisation so um, dass die systemrelevanten Teile im Krisenfall abgespalten werden können. Gleichzeitig sollten Bail-in-Kapital und internationale Absprachen dafür sorgen, dass der Rest der Bank geordnet saniert oder abgewickelt werden kann.

Was ist wirklich machbar?

Der jüngste Entscheid der Schweizer Behörden, die CS nicht gemäss diesem Verfahren abzuwickeln, sondern in eine subventionierte Zwangsheirat mit der UBS zu schicken, stellt nun grundsätzliche Fragen: Hat man hier einfach eine weniger weit gehende Alternative gefunden und umgesetzt, oder hätte ein Vorgehen gemäss Plan nicht funktioniert beziehungsweise eine schwere globale Finanzkrise ausgelöst?

Die Schweiz ist gut damit gefahren, auf industriepolitische Ansätze zu verzichten; wir sollten nicht beim Finanzplatz damit anfangen.

War die CS also grundsätzlich global abwicklungsfähig – und, falls nicht, warum nicht? Diese Fragen sind nicht nur für die Schweizer Finanzmarktpolitik von fundamentaler Bedeutung, sondern ebenso für die internationale, funktioniert doch die TBTF-Regulierung an allen Standorten von global systemrelevanten Banken nach diesen Regeln. Die Schweiz kann und sollte diese Analyse möglichst rasch für sich selbst vornehmen, kann aber auch mit einiger Legitimität im Rahmen des FSB auf eine rasche und vertiefte internationale Evaluation des Ereignisses und seiner Konsequenzen drängen; das ist für alle grossen Finanzplätze von Interesse.

Diese vertiefte Analyse sollte den spezifischen Fall der CS im Frühling 2023 abdecken, aber auch alternative plausible Krisenszenarien durchdenken. Sie kann zu drei denkbaren Resultaten führen: 1) Eine globale Abwicklung wäre mit akzeptablen Risiken möglich und vertretbar. 2) Eine globale Abwicklung wäre heute zu riskant, weil das Konzept noch substanzielle Lücken aufweist und/oder ein Konkurs einer Grossbank in klar identifizierbaren Geschäften massive Turbulenzen auslösen würde. 3) Eine globale Abwicklung ist unter plausiblen Szenarien grundsätzlich nicht machbar.

Erst auf Grundlage dieser Analyse – die angesichts der Dringlichkeit des Problems und des politischen Drucks möglichst rasch vorliegen sollte – gilt es dann die TBTF-Regulierung anzupassen.

Am einfachsten wäre es natürlich, wenn man zum Resultat Nummer eins kommt, dass also die Abwicklung gemäss Plan möglich ist. Dann wäre die Schlussfolgerung, dass die Befürchtungen der Behörden im Fall der CS übertrieben waren und dass – allenfalls mit einigen kosmetischen Anpassungen bei den internationalen Absprachen – in Zukunft eine Grossbank im Krisenfall getrost in die Sanierung oder den Konkurs geschickt werden kann.

Nach heutigem Wissensstand ist dieses Resultat wohl leider eher unwahrscheinlich. Man müsste sich schon sehr sicher sein und auch im Rahmen des FSB einen Konsens dazu haben, um auf Basis einer solchen Einschätzung zu dem Schluss zu kommen, dass es keine regulatorischen Anpassungen braucht.

Am wahrscheinlichsten ist das Resultat Nummer zwei: Eine globale Abwicklung ist nicht grundsätzlich unmöglich, aber es braucht noch einige, substanzielle Anpassungen, bis dieses Konzept wirklich fliegt. Es scheint klar, dass eine Reihe der hierzu notwendigen Reformen nur in einem internationalen Kontext unter Beteiligung aller relevanten Finanzplätze möglich wäre. Entsprechend lange dürfte es gehen.

Weil das TBTF-Problem für die Schweiz aber besonders akut ist, können wir das meines Erachtens nicht abwarten. Deshalb gilt es, abzuschätzen, welche internationalen Geschäfte der CS es genau waren, die zu der Einschätzung führten, dass eine globale Abwicklung zu riskant sei. Und hier gälte es mit entsprechenden Regulierungen anzusetzen, wie etwa deutlich höheren Kapitalanforderungen für diese Geschäfte.

Auch keinesfalls auszuschliessen ist, dass man zum Resultat Nummer drei gelangt, dass also eine globale Abwicklung grundsätzlich nicht möglich ist und auch Reformen das System nicht retten können. Das wäre eine sehr weit gehende Feststellung, die auch international zu einer fundamentalen Neuausrichtung der Grossbankenregulierung führen müsste. Aus Sicht der besonders exponierten Schweiz würde das bedeuten, dass das TBTF-Problem nur mit einer drastischen Verkleinerung der global systemrelevanten Tätigkeit der UBS zu erreichen wäre. Die Schweiz könnte faktisch wohl nicht mehr Standort einer solchen Bank sein.

Keine Industriepolitik für Banken

Natürlich ist es gut für die Schweiz und ihren Finanzplatz, wenn hierzulande eine globale Grossbank beheimatet ist. Das aber nur unter der Voraussetzung, dass ihr Geschäftsmodell scheitern kann, wie bei jedem anderen Unternehmen auch. Ist das nicht der Fall, dann sollten wir nicht zögern, den Abzug des Hauptsitzes einer solchen Bank zu akzeptieren; die potenziellen Kosten eines weiteren Unfalls sind viel zu gross.

Die Schweiz ist wirtschaftlich sehr gut damit gefahren, auf industriepolitische Ansätze in der Wirtschaftspolitik zu verzichten; wir sollten nicht beim Finanzplatz damit anfangen. Erklären wir nämlich die UBS für unentbehrlich, dann dürfte es sehr schwer sein, wirklich griffige TBTF-Regeln für sie durchzusetzen. Wie jede andere einzelne Unternehmung ist sie eben für die Schweizer Wirtschaft nicht unentbehrlich. Fällt ein Teil ihrer Leistungen weg, so hat es genügend andere Banken, die gerne diese Dienstleistungen anbieten. Und gibt es ein Angebot etwa in der Exportfinanzierung grösserer Unternehmen auf dem Finanzplatz sonst nicht mehr, werden internationale Banken sehr gerne einspringen und diese Nachfrage befriedigen.

Zum Glück gibt es im Finanzsektor in der Schweiz und global genügend Konkurrenz. Wenn der Finanzplatz und die Banken durch solche Regulierungen kleiner werden, dann ist das nicht das Ende des Schweizer Wohlstandes, sondern ein notwendiger Strukturwandel, der eine ineffiziente Subventionierung beseitigt.

Insgesamt ist es wichtig, das TBTF-Konzept der möglichen Abwicklung von Grossbanken angesichts der jüngsten Entwicklungen nicht vorschnell in den Papierkorb zu werfen. In der Schweiz und international wurden vonseiten der Banken und der Behörden in den letzten Jahren sehr grosse Anstrengungen dafür unternommen, und die Abwicklungsfähigkeit bleibt der effizienteste Weg, um das Problem in den Griff zu bekommen. Gelangt man aber in der Analyse zu der Ansicht, dass das Konzept mit vernünftigem Aufwand nicht umsetzbar ist, dann darf die Schweizer Wirtschaftspolitik nicht zögern, auch mit weitgehenden Eingriffen die Bank kleiner und/oder global risikoärmer zu machen. Angesichts der international rekordverdächtigen Grösse der grössten Schweizer Bank im Verhältnis zum BIP kann sich die Schweiz eine UBS mit Staatsgarantie schlicht und einfach nicht leisten.

Aymo Brunetti ist Professor für Wirtschaftspolitik und Regionalökonomie an der Universität Bern.

35 Kommentare
S T

Die Analyse ist interessant, kommt aber leider etwas spät. Nach der UBS-Rettung 2008 wurde eine eingehende Analyse durchgeführt. 2011 wurden zwei Motionen zur Abspaltung des Investmentbankings (SVP) und zur Einführung eines Trennbankensystems (Grüne) eingereicht. 2014 wurden diese Motionen im Ständerat von FDP und Mitte (damals CVP) versenkt. Es lohnt sich, die Protokolle des damaligen Geschäftes nachzulesen, insbesondere Ständerat Thomas Minders erstaunlich visionäres Votum. 2011, 2015, 2019 fanden Wahlen statt, ohne dass die politisch Verantwortlichen für die fehlende griffige TBTF-Gesetzgebung abgewählt wurden. 2023 ist wieder ein Wahljahr. Wir müssen nicht nochmals Parlamentarier wählen, die sehendes Auges die dritte Staatsrettung einer Grossbank zulassen.

M. B.

Ich stimme zu. M.E. ist die UBS fürs Schweizer Steueraufkommen zu gross - trotz Abgabe von bloss Garantien (die können gezogen und müssen dann bedient werden). Es fehlt das Geld, besonders mit der Schuldenbremse. Zudem ist die Sonntagsübung des Bundesrats mit Notverordnung, die sofort in Kraft tritt, ein klass. Fall von Ambush Legislation (Gesetzgebung aus dem Hinterhalt): Die Exekutive ändert Knall auf Fall das Gesetz fundamental ohne Kontrolle durch die Legislative und mit menschenrechtseinschränkendem Effekt wie plötzlicher Enteignung…