Kommentar

Sind Schweizer Gas- und Ölkraftwerke «Klimakiller»? Nur, wenn man es nicht richtig macht

Fossile Kraftwerke sollen den Winter und die Energiewende retten. Dies unterhöhle den Klimaschutz, heisst es entsetzt. Es gibt jedoch einen Kniff, der dies verhindert.

Christoph Eisenring 55 Kommentare
Drucken
Eine Testanlage für Turbinen in Birr (Aargau) liesse sich zum Gaskraftwerk umbauen – aber für den nächsten Winter reicht die Zeit nicht.

Eine Testanlage für Turbinen in Birr (Aargau) liesse sich zum Gaskraftwerk umbauen – aber für den nächsten Winter reicht die Zeit nicht.

Walter Bieri / Keystone

Deutschland und Österreich nehmen Kohlekraftwerke wieder in Betrieb, um eine Strommangellage im Winter abzuwenden. Und auch Energie- und Umweltministerin Simonetta Sommaruga musste über ihren Schatten springen. Gaskraftwerke, die wahlweise mit Heizöl betrieben werden können, sollen dafür sorgen, dass im Winter die Lichter nicht ausgehen.

Im Februar, und zwar ausgerechnet eine Woche vor Ausbruch des Kriegs in der Ukraine, hatte der Bundesrat bereits verkündet, die Schweiz müsse zwei oder drei Gaskraftwerke bauen; nun soll ein Teil davon schon nächsten Februar bereitstehen. Die fossilen Kraftwerke sollten allerdings nur in Ausnahmesituationen zum Einsatz gelangen, nämlich dann, wenn der Strommarkt die Nachfrage nicht mehr decken könne, heisst es.

Versorgungssicherheit ist entscheidend

Dass die Schweiz auf fossile Kraftwerke setzt, entzaubert die bisherige Argumentation. Sommaruga betont stets, dass man mit dem Ausbau der einheimischen erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit stärke. Es sind aber gerade flexibel zuschaltbare Kraftwerke, die diese nun sicherstellen sollen, und nicht etwa die Öffnung der Lärmschutzwände für Solarmodule, die der Bundesrat ebenfalls diese Woche ankündigte.

Auf den ersten Blick scheint die Sache klar: Solche Kraftwerke stossen viel CO2 aus und verschärfen damit den Klimawandel. Doch wer so argumentiert, liegt falsch. Es ist ein Satz im Communiqué des Bundes, der hier entscheidend ist: Die Reservekraftwerke sollen dem Emissionshandelssystem der EU unterstellt werden, bei dem auch die Schweiz mitmacht.

Was heisst das? Für jede Tonne CO2, die diese fossilen Kraftwerke ausstossen, gilt es, am Emissionsmarkt ein Zertifikat zu kaufen, das derzeit fast 100 Euro kostet. Die Bepreisung von CO2 verschafft emissionsarmen Energien wie Wasser, Wind, Sonne und Kernkraft gegenüber Kohle und Gas somit einen Vorteil.

Die Menge an CO2, die im europäischen Energie- und Industriesektor ausgestossen wird, ist dabei gedeckelt. Sie nimmt jedes Jahr im Einklang mit den Klimazielen ab. Wenn nun also ein Schweizer Gaskraftwerk Emissionszertifikate kauft, stehen diese andernorts nicht mehr zur Verfügung.

Tendenziell steigt der Preis der Zertifikate, was andernorts zu CO2-Einsparungen motiviert. Dem Weltklima geht es aber genau gleich gut, ob mit oder ohne Schweizer Gaskraftwerke, weil sich insgesamt die Menge an CO2 dadurch nicht ändert.

Wie man Subventionen minimiert

Aus dieser Warte sollte man solche Kraftwerke stets produzieren lassen, wenn es sich für die Produzenten lohnt – und nicht nur im Fall von «ausserordentlichen Knappheitssituationen», wie es dem Bundesrat vorschwebt. So liessen sich auch die Kosten dieser Infrastruktur besser amortisieren und allfällige Subventionen minimieren. Ist es nicht eine Geldverschwendung, solch teure Bauten nur ganz selten auf Anweisung des Bundes laufen zu lassen?

Der Fall der Gaskraftwerke zeigt zugleich die Schwierigkeit auf, wenn ein Land, das in einen Emissionshandel eingebunden ist, nationale Klimaziele festlegt. Sinnvoll sind solche Ziele eigentlich nur für das gesamte Gebiet, auf das sich der Emissionshandel erstreckt. Denn es soll ja losgelöst von den Landesgrenzen dort CO2 eingespart werden, wo dies am billigsten ist. So lassen sich die Kosten der Dekarbonisierung minimieren.

Dass Gas- oder Ölkraftwerke, einmal gebaut, ständig produzieren würden, muss man zudem nicht befürchten. Denn dieser Strom wird wegen der CO2-Zertifikate verhältnismässig teuer sein. Die Kraftwerke würden also nur bei hohen Strompreisen und damit zu Zeiten grosser Knappheit zum Einsatz kommen – ganz ohne Einsatzbefehl des Bundes. Umweltschützer kann man ein wenig beruhigen: Solange der Betreiber für den Strom, den er produziert, Emissionszertifikate kaufen muss, verschlechtern Schweizer Gaskraftwerke das Weltklima nicht.

55 Kommentare
J. L.

Der einzige Grund weshalb wir auf schmutzige und ineffiziente “Open cycle” Gasturbinen zurückgreifen müssen, ist, dass das KKW Mühleberg nicht mehr am Netz ist. Der Grund: Die linken Atomgegner im Bundesamt für Umwelt bzw. für Energie haben die Hysterie nach Fukushima geschickt genutzt und die Schweizer Kernkraftwerke zu völlig abstrusen technischen Nachrüstungen gezwungen. Die BKW wollte diese für Mühleberg - zu Recht- aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr stemmen. Wo die Ideologie gewinnt, verliert die Umwelt.

Jürg Simeon

Dieser Kommentar ist viel zu vorsichtig geschrieben. Wir haben ein akutes, sehr grosses, reales Problem, wenn wir im Winter Blackouts haben. Der sehr kleine zusätzliche CO2 Ausstoss für kürzere Zeit ist daher völlig vernachlässigbar. Wir machen uns künstliche Probleme, die echten werden uns aber überrollen.

Mehr von Christoph Eisenring (cei)

Mehr von Christoph Eisenring (cei)

Weitere Artikel