Kolumne

Der Staat als Konkurrent der Wirtschaft

Welche Aufgaben sollten staatsnahe Betriebe und welche sollten private Anbieter wahrnehmen?

Gerhard Schwarz
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Gerhard Schwarz war Direktor des Think-Tanks Avenir Suisse und zuvor Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion. Heute ist er unter anderem Präsident der Progress Foundation. In seiner Kolumne beleuchtet er das wirtschaftliche und politische Geschehen aus ordoliberaler Perspektive.

Gerhard Schwarz war Direktor des Think-Tanks Avenir Suisse und zuvor Leiter der NZZ-Wirtschaftsredaktion. Heute ist er unter anderem Präsident der Progress Foundation. In seiner Kolumne beleuchtet er das wirtschaftliche und politische Geschehen aus ordoliberaler Perspektive.

Vor einem Monat hat das vom Berner Gewerbeverband angeführte Komitee «Fair ist anders» gegenüber den Medien eine Zwischenbilanz seiner im Mai 2017 lancierten Informationskampagne gezogen und eine Online-Petition zu diesem Thema gestartet. Der Titel mag angesichts von Fair-Food und Fairness bei Löhnen zunächst in die Irre führen, ist aber korrekt. Es geht nämlich um Verzerrungen im Wettbewerb zwischen staatlichen bzw. staatsnahen Betrieben einerseits und privaten Betrieben anderseits. Hier fordert das Komitee Fairness. Die Petition hat wegen der Ausrichtung auf Bern und Solothurn wenig Aufmerksamkeit gefunden, obwohl sie eine zentrale ordnungspolitische Frage aufnimmt, die alle Ebenen des Staates betrifft, Gemeinden und Kantone wohl noch mehr als den Bund: Welche Aufgaben sollten staatsnahe Betriebe und welche sollten private Anbieter wahrnehmen?

(Bild: Peter Klaunzer/Keystone)

(Bild: Peter Klaunzer/Keystone)

Nach liberalem Verständnis ist der Staat kein Unternehmer. Er sollte sich auf hoheitliche Aufgaben konzentrieren sowie allenfalls auf Märkte, in denen ein natürliches Monopol besteht. Hingegen sollte er im Gegensatz zu dem, was Staatsgläubige behaupten, den Service public in einen Service au public umwandeln, die Leistungserstellung also privaten Anbietern überlassen, die er mit Leistungsaufträgen, Subventionen und Regulierungen in seinem Sinne lenkt. Das wäre ohne Schaden möglich und dem Wohlstand aller dienlich. Die schweizerische Realität ist davon weit entfernt. Der Souverän will den Staat als Unternehmer im Finanzsektor (PostFinance und Kantonalbanken), bei Transportleistungen (Postauto), im Energiebereich, in der Telekommunikation und bei IT-Dienstleistungen oder (wenn auch etwas kaschiert) in den elektronischen Medien, sowie auf lokaler Ebene, um nur wenige zu nennen, im Gesundheitsbereich, im Unterhalt von Pärken oder in der Abfallentsorgung. Der Glaube, das sei besser – effizienter, billiger, fairer, weniger profitgetrieben oder gleich alles davon? –, scheint fest verankert. So schnell wird es also nicht zu Privatisierungen grösseren Umfangs kommen, im Gegenteil.

Zu beobachten ist nämlich eine schleichende Ausweitung der Staatsunternehmen. Sie verärgert das Gewerbe mit Recht. Weil staatsnahe Betriebe versuchen, sich unternehmerisch zu verhalten, wie man ihnen das nahegelegt hat, betreibt ein öffentliches Spital plötzlich ein Catering-Unternehmen, ein Energiekonzern übernimmt ein Sanitär-, Heizungs- und Bauspenglergeschäft, oder eine Gebäudeversicherung verkauft LED-Lampen und Installationen zum Wassersparen. Und während in der Privatwirtschaft oft alles, was nicht zur Kernkompetenz gehört, etwa der Unterhalt oder das Eigentum von Geschäftsliegenschaften, einer externen Firma übertragen wird (Outsourcing), verlängern Staatsbetriebe ihre Produktionskette: Energiekonzerne erwerben Ingenieurbüros, städtische Gärtnereien widmen sich neben der Pflege der Grünanlagen der Zucht von Pflanzen.

Die Grundfrage lautet immer, ob denn der Staat das, was er tut, besser und billiger tun kann als Private. Wenn das nicht der Fall ist, sollte er es bleiben lassen. Erst recht stossend ist, wenn er die privaten Unternehmen mit ungleichen Spiessen konkurrenziert. Staatsnahe Betriebe zahlen zum Teil weniger Steuern, unterliegen vorteilhafteren Regulierungen und müssen nicht wie verantwortungsvolle Geschäftsleute genügend Gewinn erwirtschaften, um für schwierige Zeiten gewappnet zu sein; im Notfall rettet sie der Staat. Die Beseitigung dieser Privilegien und noch mehr die Rücknahme des Ausbaus der Staatswirtschaft wären zwei der intelligentesten Formen der Förderung der KMU.

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